Raum und Architektur, diese Stichworte prägen auch Martina Webers Arbeiten. „Ein pulsierender urbaner Umraum“, das schaffe die Künstlerin, steht im Pressetext über ihre interaktive Videoinstallation „Lichtbild-Leerbild“, die Weber im Zürcher Off space Videotank zeigte und aus der sie die im Gluri Suter Huus ausgestellten Fotografien „Lampe“, eine Serie von 1-8 Bildern (Grösse: 84.1 x 59.4 cm) entwickelte. Und tatsächlich, Elemente eines solchen Raumes waren sehr wohl auszumachen: Häuserfassaden waren zu sehen und sogar Ansichten des Zürcher Schanzengrabens mit Booten. Das Pulsieren wird aber nicht durch Menschen hervorgerufen, denn genau wie bei Aerni fehlen diese auch in Webers Arbeiten, oder sind nur durch das Vorhandensein einer Lampe und eines implizierten Innenraumes zu erahnen.
Obwohl auch bei Martina Weber Raum und Architektur eine Rolle spielen, zeigt sich ein grundsätzlicher Gegensatz zu Aernis Arbeiten. Weber arbeitet nicht dokumentarisch. Ihre Räume sind inszeniert und kommen in der realen Welt so nie vor. Sicher, sie bestehen aus realen Elementen – wie dem Schanzengraben Kanal und den Booten in Zürich, den wechselnden Dias mit den Häuserfassaden und der Lampe als Lichtindikator, die auf und abblendete; in ihrer früheren Arbeit „Projektion“ war es ein Stativ mit einem runden Spiegel, das sie in ihrem Atelier aufbaute und aus verschiedenen Winkeln abfotografierte; im Video Reflexion Ausschnitte aus einer Landschaft mit einem Vogel, d.h. einer aufgeklebten Plastikfolie – aber diese Elemente werden von ihr neu zusammengestellt und überlagert. Meist endet dies nicht nur in einer Fotografie oder einem Dia, sondern diese Einzelbilder werden nochmals gefilmt und als Videoloop projiziert. Die einzeln fotografierten Teile – seien das vorgefundenen oder in ihrem Atelier inszenierte Situationen – werden in räumlichen Mehrfachprojektion, aber auch einem zeitlichen Ablauf zu einem neuen fiktiven Raum- und Zeitgefüge zusammenstellt. Es entsteht eine Art filmische wie mediale Collage, die die Realität zu einem Verwirrspiel macht.
Im Fall von „Lampe“ ist dies ein Dia, das, zwei 16 mm-Filmstreifen wiedergebend, von einer Beamprojektion, welche ein anderes Foto desselben Films ist, überleuchtet und dann abfotografiert wurde. Dieses Schichten von zwei Projektionen führt zu einer Raumtiefe, die durch die Lampe im Vordergrund noch unterstützt wird, gleichzeitig ist die Lampe auch Projektionsfläche. Die Fotoserie zeigt durch die feinen Veränderungen der Aufnahme Varianten desselben Filmmaterials auf, einige sind in Langzeitaufnahme aufgenommen. Durch das Scharfstellen des Dias wird ein zeitlicher Ablauf sichtbar, Zeit „brennt“ sich mit Licht ein. Die Filmstreifen als Motiv erwecken den Eindruck, als würde das Standbild pulsieren, in Serie wirkt das wiederkehrende Motiv rhythmisiert. Martina Webers Arbeiten zeugen so einerseits von einer grossen Experimentierfreudigkeit – häufig erinnern ihre Werke auch an Experimentalfilme, an frühe Versuche, Illusionen zu kreieren – konfrontieren uns aber vor allem mit Fragen über Wahrnehmung und Wirklichkeit: was kann ein Foto zeigen, wie wird Film wahrgenommen, der nicht als eigentlicher Film abgespielt wird?
Georg Aerni, Natalie Hauswirth, Martina Weber – Ausstellung im Gluri Suter Huus Wettingen, 4. November – 16. Dezember 2007. Text: Sylvia Rüttimann.