Erkundungen mit dem Laptop

«So arbeite ich». Martina Weber demonstriert, wie sie mit der Computerkamera Gegenstände auf ihrem Leuchtkasten abtastet. (Bild: Urs Bucher)

Martina Weber filmt am liebsten mit dem Laptop. Die Computerkamera bietet der St. Gallerin 1000 neue Möglichkeiten. Sie arbeitet langsam und unpräzis – und ist genau deshalb für die Künstlerin interessant. Auf den ersten Blick ist nicht klar, was das soll. Streift hier eine Kamera durch ein Hochregallager? Filmt jemand die düsteren Korridore eines Raumschiffs? Oder handelt es sich um abstrakte Aufnahmen von moderner Architektur? Die 28sekündigen Filme, für die Martina Weber einen städtischen Werkbeitrag bekommen hat (siehe Kasten), sind ein Spiel mit Formen, Licht und Schatten. Nüchtern betrachtet hat die Künstlerin mit der Laptopkamera ein Arrangement aus leeren Diakassetten und einer Bastmatte auf dem Leuchtkasten abgefilmt. Doch das Ergebnis verblüfft, weckt Assoziationen, zieht in seinen Bann. Martina Weber greift sich den Laptop, dreht ihn um und lässt ihn mit dem oberen Rand des Bildschirms kopfüber über die Tischplatte gleiten. «So arbeite ich im Moment», sagt die 38-Jährige. Bisher hantierte sie vor allem mit Beamern und Diaprojektoren, und arbeitete mehrschichtig: Sie projizierte Bilder in den Raum, an die Wand, auf Objekte, überlagerte sie mit weiteren Projektionen, fotografierte das neue Bild, projizierte erneut. Das Ergebnis waren Filme, Rauminstallationen, ausgedruckte Fotos.

Mit dem Standard-Programm. Jetzt setzt Martina Weber ihren künstlerischen Weg mit neuen Mitteln fort. «Die Arbeit mit Projektionen und Print habe ich wohl ausgereizt», erklärt die St. Gallerin. Seit ein paar Jahren nutzt sie vor allem ihre Laptopkamera und das Apple-Standard-Programm Photo Booth, um Gegenstände und Texturen zu erkunden. Das Filmen mit dem Laptop eröffne ihr 1000 neue Möglichkeiten – und schränke gleichzeitig auch ein. «Ich kann ja den Laptop zum Beispiel nicht werfen», sagt sie und lacht. Wie inspirierend der neue Arbeitsprozess sein muss, zeigt ein Blick auf ihren Desktop. Die Bildschirmoberfläche ist übersät mit ihren jüngsten Laptopvideos. Die Künstlerin filmt Gläser, die sie über ihren Leuchtkasten rollen lässt. Sie umwickelt eine Lampe mit Geschenkpapier und filmt die so entstandenen Texturen. Sie schwenkt vor der Kamera einen Handspiegel in der Luft und lässt ihn wie einen Schmetterling flattern. Sie plaziert ihren Laptop so geschickt beim Aquarium im Botanischen Garten, dass die Kaulquappen über den Bildschirm zu schwimmen scheinen.

Das Kratzen bleibt drin. So vielfältig und spielerisch die Ideen sind, so ernst nimmt es Martina Weber mit der Umsetzung. «Ich konzentriere mich voll auf meine Tools», sagt sie über ihre arrangierten Gegenstände. Fährt sie mit dem Laptop über Bastmatten, folgt sie zwar keinem Drehbuch, doch ist sie ganz auf ihre Kamerafahrten fixiert. «Zuerst bin ich jeweils noch ungelenk, nach einer Weile aber bin ich drin.» Danach editiert sie die Filme kaum mehr. Auch die Geräusche bleiben drin: Das Schaben und Kratzen des Laptops auf den Oberflächen der Tools. Nur den Anfang und Schluss der Videos – wenn Martina Weber selber jeweils kurz im Bild ist, um den Aufnahmeknopf zu drücken – schneidet sie weg. «Mich braucht’s nicht.» Es geht ums Wuseln. Bei all ihren Filmen setzt Martina Weber auf die Schwächen der Laptopkamera. «Weil die Kamera so schlecht ist, arbeitet sie unpräzis und langsam.» Die Bilderfolgen ruckeln, Formen verwischen, Farben verlaufen. Oder wie es Martina Weber ausdrückt: «Das Bild wuselt.» Und um dieses Wuseln geht es ihr, sie verwendet das Wort oft im Gespräch. Sie versteht darunter jenes Flimmern und Flirren, das von blossem Auge nicht sichtbar ist und erst beim Filmen entsteht.

Die Kamera als Mikroskop. Es wuselt, wenn Martina Weber eine Beamerlampe von vorne filmt, bis sich farbige Streifen durch das Bild ziehen. Es wuselt, wenn sie die Kamera auf die Neonröhren ihres Leuchtkastens richtet, bis es zu flimmern beginnt. Es wuselt auch, wenn sie mit dem Laptop den leeren Diakassetten entlang schrammt, bis sich Überlagerungseffekte zeigen. Wie eine Forscherin erkundet Martina Weber die Gegenstände, die vor ihr liegen. «Die Laptopkamera wirkt wie ein Mikroskop, das Bewegungen sichtbar macht.» ROGER BERHALTER, 17.8.2013 St.Galler Tagblatt

Die in St. Gallen lebende Künstlerin Martina Weber hatte im Jahr 2010 einen Förderpreis der Stadt erhalten. Nun zeigt sie unter dem Titel «Video Dia Fotografie» ihre digitalen Bildcollagen im Architekturforum.

Wer wissen will, wie die Neuen Medien die Kunst und wechselseitig die digitale Kunst gleichzeitig unsere Wahrnehmung verändert, der sollte sich die Ausstellung von Martina Weber im Architekturforum nicht entgehen lassen. Alles ist in Bewegung, flimmert – es flimmert in den Augen. Der Raum liegt in einem angenehmen Dunkel.

Um zu verstehen, wie Martina Weber als Künstlerin des Genres digitale Kunst vorgeht, ist es nützlich, sich erst mal auf Malerei einzustellen und sich die Arbeitsschritte an und auf Leinwand in Erinnerung zu rufen. Das Auftragen, Spachteln, Schichten, Kratzen und Übermalen, figurative und abstrakte Elemente, grobe und feine Striche, Schatten, Licht, Tiefen und Flächen. Mit solcherlei Vorstellungskraft, die möglicherweise gar auf dieEntstehung eines Werkes zurückführen, das einem sehr ans Herz gewachsen ist – wie malte Tintoretto «Das letzte Abendmahl», was ging in Jackson Pollock vor, als er «Nummer 32» malte? –, lässt sich der Raum im Architekturforum betreten.

Leise, wie hier alles ist. Sakrale Stille. Zu unserer Linkendie grossflächige Idylle eines grün wuchernden üppigen Gartens. Links schieben sich, fast nur als Andeutung, Balken ins Bild. Hat die Sonne der Fotografin einen Streich gespielt? Ist etwas verrutscht, überbelichtet oder gar misslungen? Spielt sie mit unserer Irritation?

Mehrfach geschichtet
Anders als eine malende Künstlerin erprobt Martina Weber die optischen Reizeffekte eines Bildträgers, eines Motivs nicht mit Farbe und Pinsel, sondern sie bedient sich der gesamten Palette digitaler Möglichkeiten mit dem Resultat, dass ihre Bildträger einen ähnlichen Effekt bei den Betrachtenden erzielen, wie das eine grossflächige Malerei tut. Man will nahe an die flimmernden Bilder heran, man will erkennen und Erklärungen dafür finden, wie das Kind seiner Zeit – Martina Weber hat Jahrgang 1975 – ihre Welt wahrnimmt und künstlerisch umsetzt. Da sind grossflächige Projektionen, mit Beamern an die Wand geworfen. Es sind Fotografien, Dias und Videoausschnitte, welche sie collageartig überlagert, neu bearbeitet, früher verwendete Elemente mit neuen kombiniert – wie ein Reisealbum, dessen Sujets, Daten und dazugehörigen Emotionen durcheinandergeraten sind – oder wie ein mehrfach übermaltes Bild.

Doch hier bestimmt das Schnelle, Rasante, der «Klick und weg»-Effekt den Rhythmus des Sehens. Kaum meinen wir nämlich, irgendetwas zu erkennen, verfremdet sich das Bild, schiebt sich schemenhaft ein neues Motiv darüber. Die aufbereiteten Montagen erschliessen Welt und Gegenwelt – reale Situationen reiben sich an fiktive; verlangsamte Sinneserfahrung kollidiert mit digitalem Tempo.

Verwischtes Sehen
Die Steckdose, Schaltelemente auf der Tastatur, Kabel, Webcam, Suchmaschine, Leuchtdioden, Dias, Fotos, – Weber eignet sich die heiligen Kühe einer schnelllebigen Kommunikationsgesellschaft an, wie sich die Alten Meister wohl in Schriften vertieft hatten. Alle ihre grossformatigen Projektionen sind gleichzeitig wie Fenster in eine Aussenwelt. Eine schiebt sie kantengenau in den Raumwinkel.

Wir sehen eine horizontal verlaufende Fläche, sandfarben, das Auge will ausruhen, doch die kurze Idylle reisst jäh, im nächsten Augenblick rattert Schrundiges (Aufnahmen von einem Gletscher) darüber, um wenig später von einem unbarmherzigen Raster überzogen zu werden, als stanze eine Stickmaschine ein Lochmuster hinein. Martina Weber, die in Basel Kunst und Medienkunst studierte, weiss um den Zustand der/ihrer Welt.

Text: Brigitte Schmid-Gugler, „Ein Kind ihrer Zeit“, St.Galler Tagblatt, 21.5.2012, PDF

Martina Weber «Stop Motion»

Martina Weber schichtet Bilder über Bilder. Sie projiziert Dias an die Wand, überlagert die Projektion mit dem Testbild eines Beamers, oder filmt die Situation live um simultan den Film an die Wand zu werfen. Gut möglich, dass sie nun die überlagerten Projektionsebenen fotografiert und dieses Foto zum Ausgangspunkt einer neuen Arbeit macht, in der es wieder und wieder mit neuen Bildquellen überlagert wird. Eine künstlerische Arbeit wie das Spiel mit der Babuschka.

Die Medien der Fotografie und Projektion bleiben in ihrer Arbeit durchweg präsent. Das schwarze Zentrum eines Bildes enthüllt sich als Linse, im Horizont gibt sich ein Textbild zu erkennen.

Klar, dass ihre Arbeiten im Roxy ein dichtes Netz aus Verweisen, eine rhizomatische Binnenstruktur über das Roxy legen. Sie finden Teile einzelner Bilder, die an anderen Orten wieder auf Sie zukommen, Sie verfolgen und auf stille Orte begleiten. So konstruiert sie Räume und verändert die Raumwahrnehmung und hinterfragt dabei immer wieder die Möglichkeiten der Bildkonstruktion: „Welche Räume der Handlungsfähigkeit und Ermächtigung, welche Politik hier aktuell oder virtuell gegeben sind, macht ein Denken in Kategorien des Regimes erst möglich. Gleichzeitig bleibt man befangen in einer Hermeneutik des Verdachts. Auf beunruhigende Weise insistiert die Imago  des Situation Room.“ Tom Holert

Martina Weber ist Film- und Videokünstlerin und lebt in St. Gallen. 2010 erhielt sie den Förderpreis ihrer Heimatstadt.

Text: Alan Twitchell, Theater Roxy, Birsfelden, 15. Januar – 4. März 2011, www.theater-roxy.ch/kunst-im-foyer

Diese Lichtmaschinen

Diese Lichtmaschinen, Bild-Aufnehmer und Bild-Wiedergeber sind immer auch Objekt und als solche in ihren Arrangements sichtbar. Mit spielerischem Vorgehen lotet die Künstlerin die jeweils spezifischen Möglichkeiten ihrer Geräte aus. Schliesslich verdichtet und überlagert sie projizierte Raumsituationen mit dem beiläufig arrangierten Realraum und fotografiert oder filmt diese verdichtete, fokussierte, neue Raumkonstruktion.

Dieses Beobachtungs-Konzentrat in Form eines Videos oder grossformatigen Prints ist immer auch ein Rätsel. Da betrachtet man das Werk, das Abbild einer fokussierten Raumsituation, und fragt sich dabei, was nun abgebildetes Lichtbild und was arrangierter Realraum sei! Eine Steckdose zum Beispiel weist auf einen Realraum hin, insbesondere die scharfe Abbildung des Stromanschlusses müsste diese Vermutung bestätigen. Dem/der aufmerksamen BetrachterIn kann es aufgrund der Indizien gelingen, ein Weber-Bild zu entschlüsseln.

von Karin Bühler, Auszug aus der Laudatio vom 03.11.2010, Förderpreis Stadt St.Gallen

Vom Spiel mit der Wahrnehmung

Früher, da war das ein Heidenspass, wenn man vom Götti oder sonst wem eine Babuschka geschenkt bekam: Sie erinnern sich? Die fiesen Bäbis aus Holz, in deren Innern immer noch ein buntes Bäbi steckte. Anders als das Schälen von Zwiebeln ging die Demontage der Babuschkas ohne Tränen ab. Wenn die St. Galler Künstlerin, die eben mit dem Förderpreis 2010 der Stadt St. Gallen geehrt wurde, fotografiert, so lichtet sie beispielsweise Diaprojektionen eigener Bilder ab. Dabei entstehen Standbilder oder wiederum Videobilder der Bilder.

Was ist überhaupt ein Bild? Fragt man sich vor diesen buchstäblich vielschichtigen und verschachtelten Bildern, Projektionen und Videos, die ihrerseits meist von realen Räumen aus- gehen. Magritte hat eine ähnliche Frage gestellt, als er unter das Bild einer Pfeife schrieb, das Bild der Pfeife sei nicht mit der Pfeife selbst identisch. Das Bild veränderte sowohl die Wahrnehmung von gemalten Bildern wie auch die Wahrnehmung des Gegenstandes selbst. Martina Weber (*1975) spinnt diese Überlegung weiter: Das Bild einer Abbildung eines Raums oder einer Raumsituation verändert die Wahrnehmung erstens des Abbilds und ausserdem des realen Raums. Während aber bei der Babuschka immer ein Unter- auf ein Oberteil passt, sich also alles klärt, narrt uns die Künstlerin mit raffinierten Symmetrien oder mit sich überlagernden Wellen- blenden in Videoloops. So hintersinnig und intelligent hat schon lange niemand mehr nach der Natur, nach dem Wahrnehmungs- und Entstehungsprozess von Bildern gefragt. Wer hinsieht und sich auf die Verschachtelungen einlässt, dem könnten glatt die Tränen kommen. Vor Freude oder Lachen.

Christina Peege, Landbote, 09.09.2010. Screens, 03.09.-17.10.2010, Kunstraum Winterthur, Wartstrasse 17.  Fr 18–21 Uhr, Sa/So 15–18 Uhr.

ungeahnte Dimensionen

Martina Weber, geboren 1975, ist Video- und Installationskünstlerin. Ihr Hauptinteresse gilt dem Raum, dem Verfremden von Raumkonstruktionen und der sich dabei verändernden Wahrnehmung. In komplexen Raum-Bild-Konstruktionen lässt sie durch die Verschachtelung von verschiedenen Bildebenen neue Bilder entstehen.

So gelingt es ihr immer wieder, den vorhandenen Raum in ungeahnte Dimensionen wachsen zu lassen. Durch die Reflexion über die angewandten Medien und das Spiel von Ueberlagerungen hinterfragt Martina Weber die Produktion von Bildern und deren Wirklichkeitsbezug und bearbeitet Fragen um das Verhältnis von Objekt und Abbild, Realraum und Projektionsraum. (pd)

St.Galler Tagblatt, 03.09.2010, Förderpreis 2010, Stadt St. Gallen

show down #10, 5. Juni 2008, exex, St.Gallen

Martina Webers Arbeit scheint sich auf den ersten Blick beiläufigen Themen zu widmen, dem unauffälligen und unwesentlichen, wie dem Plastikgehäuse eines Fernsehers oder der nichtssagenden Fassade eines Hochhauses. Bei genauerem Hinschauen zeigt es sich jedoch, dass Monitorrahmen und Bildschirm, Fassade und Fenster die vier Grundelemente sind, welche in Martina Webers Arbeit regelmässig erscheinen, seit sie vor drei Jahren die Hochschule für Kunst und Design in Basel abgeschlossen hat. Diese vier Schlüsselelemente sind nicht nur miteinander verbunden, sie gehen auch ineinander über: ein Fenster ist ein Bildschirm, ein Bildschirm ist ein Fenster; eine Fassade ist ein Rahmen, ein Rahmen ist eine Fassade.

Es scheint, dass eine grundsätzliche Neugier an Prozessen und die Frage «was wäre wenn?» Webers Methode vorantreibt, das Filmen und wieder Filmen überlagerter Projektionen, die ihrerseits Substrate vorgängiger Fotografien oder Filmsequenzen sind; sich auf diese Arbeit einzulassen, bedeutet die Teilnahme an einer archäologischen Ausgrabung von vertikal gelagerten Bilderschichten, die auf der horizontal laufenden Zeitachse ausgelegt sind.

«showdown eins» zeigt eine Kurzsequenz, in der horizontale Bildbänder übereinander gestapelt sind wie die Stockwerke eines Hochhauses. Die Sequenz läuft stumm und dauert etwa zehn Sekunden, bevor sie wieder beginnt. Auf den ersten Blick könnte man sie für ein Standbild halten, so unscheinbar sind die ablaufenden Veränderungen.
Die mittlere Spur ist bis zu einem gewissen Grad als fragmentiertes Filmband lesbar, das Fenster in einer Fassade zeigt. Die Elemente der obersten Bildspur sind hingegen so entstellt, dass sie nur noch an mottenzerfressene «Mario-Brothers»-Figuren erinnern, ein Hinweis auf das Thema der Zeit und das unvermeidliche Abtragen von Material. Heute da, morgen fort.

Ein Schlüssel zu Martina Webers Arbeitsprozess ist zwischen diese Bänder gebettet; erkennbar ist ein Teil des Präsentationsfensters von Quicktimemovie mit Play-taste als Hinweis darauf, dass das Bild einmal, zweimal, dreimal verfremdet worden ist und so einem Destillationsverfahren unterliegt, analog zu den Veränderungen, die das Vergehen von Zeit bewirkt.

Wenn sich «showdown 1» mit Fassade und Oberfläche beschäftigt, so ist «showdown 2» in der hinteren Ecke das subkutane Gegenstück: eine stumme Projektion mit langsamem Lidschlag, wie ein Paar aufmerksame Katzenaugen. Dieses zweiäugige und zwischen andere exex-Wandlöcher gesetzte Guckloch, thematisiert die beiden Grundelemente Fenster und Bildschirm, nämlich die Möglichkeit, gleichzeitig hinein und hinaus zu sehen, zu betrachten und betrachtet zu werden.

The subject of Martina Weber’s work appears at first glance to be incidental, the focus falling on the seemingly unremarkable and inconsequential – the plastic casing of a TV-monitor, the bland façade of a high-rise block. On closer inspection it becomes apparent that monitor-frame and screen, façade and window, are the four principal elements consistently occurring and reoccurring in the work she has made over a three-year period since graduating from the University of Art and Design, Basel in 2005. These key elements are not only connected with one another, they merge together: A window is a screen, a screen a window; a façade a frame, a frame a façade.

It would seem as though a basic curiosity about process and the question „what if?” is the motor propelling Weber’s methodology: The filming and re-filming of overlaid projections, which are in turn, excerpts from previous photographs or film sequences. To engage with the work means participating in an archaeological excavation of vertical image-strata, laid over a horizontal time-line.

 “Showdown 1” presents a short time sequence in which horizontal bands are piled one above the other like the floors of a multi-storey building. The projection sequence runs silently for some 10 seconds before starting over again and it could, at first glace, be mistaken for a still, so slight are the unfolding changes. The middle track is readable, to some extent, as a fragmented filmstrip showing windows in a façade. The fragments on the uppermost track are degraded to such a degree that they more resemble moth-eaten “Mario-brother” figures:  A hint at the theme of time and the inevitable wearing away of substance. Here today, gone tomorrow.

A clue to Martina Webers workingprocess” is sandwiched between these layers: Part of a QuickTimeMovie presentation-window, with play button clearly discernable, is the key to perceiving that the image is once, twice, thrice removed; that it has been subjected to a process of distillation analagous with the transformations caused by the passage of time. If showdown 1 is concerned with façade and external surface, showdown 2, in the far corner of the room is the subcutaneous counterpart: A silent, slowly blinking projection, like a pair of watchful cats eyes. This binocular-peephole, wedged between other fissures in the walls of exex, relates to window and screen and the possibility of looking out and of looking in, of observing and being observed.

Text/Translation: Rachel Lumsden. Show down, 5/12. Juni 2008, exex, Oberer Graben, St. Gallen

4. November – 16. Dezember 2007, Galerie im Gluri Suter Huus, Wettingen

Martina Weber (1975 in Basel geboren) studierte bildende Kunst und Medienkunst und lebt heute in St. Gallen. Sie untersucht, wie sich Realität im Raum angesichts der Zeit verhält. In der Foto-Print-Serie «Lampe» sind Täuschungen zu sehen, wie sie die Camera obscura liefert. Die Ansichten sind farbarm und es erscheinen seltsame Lichtstreifen.

Die zusätzlichen Schichtungen und Überlagerungen im Bild ergeben sich nach mehreren Arbeitsgängen. Weber filmt Fotos und fotografiert wiederum die Bilder des Videos, die wie Sichten aus dem Fenster eines Hochhauses in das benachbarte Hochhaus wirken. Und diese Bilder spiegeln sich wiederum zusätzlich auf einem Lampenschirm.

Pia Zeugin, Bildende Kunst Im Wettinger Gluri Suter Huus, Aargauer Zeitung vom 9. November 2007

Saaltext, Ausstellung im Gluri Suter Huus, Wettingen

Raum und Architektur, diese Stichworte prägen auch Martina Webers Arbeiten. „Ein pulsierender urbaner Umraum“, das schaffe die Künstlerin, steht im Pressetext über ihre interaktive Videoinstallation „Lichtbild-Leerbild“, die Weber im Zürcher Off space Videotank zeigte und aus der sie die im Gluri Suter Huus ausgestellten Fotografien „Lampe“, eine Serie von 1-8 Bildern (Grösse: 84.1 x 59.4 cm) entwickelte. Und tatsächlich, Elemente eines solchen Raumes waren sehr wohl auszumachen: Häuserfassaden waren zu sehen und sogar Ansichten des Zürcher Schanzengrabens mit Booten. Das Pulsieren wird aber nicht durch Menschen hervorgerufen, denn genau wie bei Aerni fehlen diese auch in Webers Arbeiten, oder sind nur durch das Vorhandensein einer Lampe und eines implizierten Innenraumes zu erahnen.

Obwohl auch bei Martina Weber Raum und Architektur eine Rolle spielen, zeigt sich ein grundsätzlicher Gegensatz zu Aernis Arbeiten. Weber arbeitet nicht dokumentarisch. Ihre Räume sind inszeniert und kommen in der realen Welt so nie vor. Sicher, sie bestehen aus realen Elementen – wie dem Schanzengraben Kanal und den Booten in Zürich, den wechselnden Dias mit den Häuserfassaden und der Lampe als Lichtindikator, die auf und abblendete; in ihrer früheren Arbeit „Projektion“ war es ein Stativ mit einem runden Spiegel, das sie in ihrem Atelier aufbaute und aus verschiedenen Winkeln abfotografierte; im Video Reflexion Ausschnitte aus einer Landschaft mit einem Vogel, d.h. einer aufgeklebten Plastikfolie – aber diese Elemente werden von ihr neu zusammengestellt und überlagert. Meist endet dies nicht nur in einer Fotografie oder einem Dia, sondern diese Einzelbilder werden nochmals gefilmt und als Videoloop projiziert. Die einzeln fotografierten Teile – seien das vorgefundenen oder in ihrem Atelier inszenierte Situationen – werden in räumlichen Mehrfachprojektion, aber auch einem zeitlichen Ablauf zu einem neuen fiktiven Raum- und Zeitgefüge zusammenstellt. Es entsteht eine Art filmische wie mediale Collage, die die Realität zu einem Verwirrspiel macht.

Im Fall von „Lampe“ ist dies ein Dia, das, zwei 16 mm-Filmstreifen wiedergebend, von einer Beamprojektion, welche ein anderes Foto desselben Films ist, überleuchtet und dann abfotografiert wurde. Dieses Schichten von zwei Projektionen führt zu einer Raumtiefe, die durch die Lampe im Vordergrund noch unterstützt wird, gleichzeitig ist die Lampe auch Projektionsfläche. Die Fotoserie zeigt durch die feinen Veränderungen der Aufnahme Varianten desselben Filmmaterials auf, einige sind in Langzeitaufnahme aufgenommen. Durch das Scharfstellen des Dias wird ein zeitlicher Ablauf sichtbar, Zeit „brennt“ sich mit Licht ein. Die Filmstreifen als Motiv erwecken den Eindruck, als würde das Standbild pulsieren, in Serie wirkt das wiederkehrende Motiv rhythmisiert. Martina Webers Arbeiten zeugen so einerseits von einer grossen Experimentierfreudigkeit – häufig erinnern ihre Werke auch an Experimentalfilme, an frühe Versuche, Illusionen zu kreieren – konfrontieren uns aber vor allem mit Fragen über Wahrnehmung und Wirklichkeit: was kann ein Foto zeigen, wie wird Film wahrgenommen, der nicht als eigentlicher Film abgespielt wird?

Georg Aerni, Natalie Hauswirth, Martina Weber – Ausstellung im Gluri Suter Huus Wettingen, 4. November – 16. Dezember 2007. Text: Sylvia Rüttimann.

Video tank, Zürich zeigt „Lichtbild – Leerbild“ von Martina Weber 07.09.-06.11.2007

Eine Zeitlang, in den frühen 70er-Jahren, schwammen Forellen und anderes Gefische in den Fenstern der Fussgängerunterführung der Dreikönigsbrücke am Zürcher Schanzengraben. Dann kam die Ölkrise und der Spass verschwand. Gut dreissig Jahre später findet eine künstlerische Rückeroberung und Umnutzung der Aquarien als Videotank statt. Seit einem Jahr bespielen auf Einladung von publiclab (Anna Kanai, Tian Lutz, Nadja Baldini) Medienkünstler den städtebaulich interessanten, aber abgeschiedenen Ort nahe dem Luxushotel Baur au Lac.

Zurzeit gastiert die in St. Gallen lebende Künstlerin Martina Weber mit der dreiteiligen Arbeit «Lichtbild-Leerbild» im Videotank. Martina Weber, 1975 in Basel geboren und zurzeit als Atelierstipendiatin des Aargauer Kuratoriums in London unterwegs, aktiviert in der Videotank-Arbeit die bestehende Lampe im mittleren Fenster mit Bewegungsmeldern und nutzt sie sowohl als lichtspendendes Objekt als auch als Bildschirm für Fotosequenzen, die verblassen, sobald die Lampe zündet. Gleichzeitig zeigt sie in den zu Monitoren umfunktionierten seitlichen Aquarienfenstern Filmloops, die Wohnblockfassaden und situationsbezogene Bilder vor Ort kombinieren. (ubs) Bis 22. Oktober, www.videotank.ch (www.videotank.ch/?p=p98)

Ursula Badrutt Schoch, Installation Bilderfischen, St. Galler Tagblattvom 6. Oktober 2007

Saaltext, „Lichtbild-Leerbild“, Interaktive Videoinstallation, Videotank, Zürich

In ihrer aktuellen Videoarbeit Lichtbild-Leerbild bezieht sich Martina Weber auf die Raumsituationen unter der Dreikönigsbrücke und bespielt den Ort neu. In den zwei äusseren ehemaligen Forellentanks konfrontiert die Künstlerin den Betrachter mit verschiedenen Wohnblockfassaden, die sie mit Bildern vor Ort kombiniert und somit den Eindruck eines pulsierenden urbanen Umraums entstehen lässt. In den mittleren Forellentank stellt die Künstlerin eine Lampe, die zugleich als Bildschirm und Leuchte fungiert und mittels Bewegungsmelder von den Besuchern ein- und ausgeschaltet werden kann. Betreten Passanten die Unterführung, so blinkt die Lampe auf und durch das grelle Licht verschwinden die Fotosequenzen, die auf den Lampenschirm projiziert werden. Für einen Moment entsteht dadurch eine Art „Leerbild“, das der Betrachter mit seinen eigenen Eindrücken des Gesehenen und des Ortes anreichern kann.

In Martina Webers Arbeit überlagern sich grundsätzlich drei Bildtypen. Es gibt die Standbilder, die die Situation unter der Brücke mit dem Wasser und den Booten wiederspiegeln und als eher leise Bildschicht funktionieren. Diese Ruhe wird von wechselnden Dias von Fassaden in s/w unterbrochen. Sie verleihen der Arbeit eine zusätzliche zeitliche Dimension, indem sie an Aufnahmen einer anderen Zeit oder an verblasste Erinnerungsbilder denken lassen. Die Lampe wiederum ist Bild und Objekt zugleich. Sie wiederholt auf ihre Weise die An- und Ausbewegungen der „urban slides“ und lässt gerade im Kontext Schanzengrabens auch an einen Leuchtturm oder an ein Warnlicht denken. Durch das abwechslungsreiche Spiel von Überlagerungen und Mehrfachprojektionen einerseits und durch die Reflektion über die angewandten Medien andererseits, hinterfragt Martina Weber sowohl den Wirklichkeitsbezug des Abbildes und als auch die Konditionen unserer Wahrnehmung und schafft eine Arbeit, die irritierend und poetisch zugleich ist.

Nadja Baldini