Vom Spiel mit der Wahrnehmung

Früher, da war das ein Heidenspass, wenn man vom Götti oder sonst wem eine Babuschka geschenkt bekam: Sie erinnern sich? Die fiesen Bäbis aus Holz, in deren Innern immer noch ein buntes Bäbi steckte. Anders als das Schälen von Zwiebeln ging die Demontage der Babuschkas ohne Tränen ab. Wenn die St. Galler Künstlerin, die eben mit dem Förderpreis 2010 der Stadt St. Gallen geehrt wurde, fotografiert, so lichtet sie beispielsweise Diaprojektionen eigener Bilder ab. Dabei entstehen Standbilder oder wiederum Videobilder der Bilder.

Was ist überhaupt ein Bild? Fragt man sich vor diesen buchstäblich vielschichtigen und verschachtelten Bildern, Projektionen und Videos, die ihrerseits meist von realen Räumen aus- gehen. Magritte hat eine ähnliche Frage gestellt, als er unter das Bild einer Pfeife schrieb, das Bild der Pfeife sei nicht mit der Pfeife selbst identisch. Das Bild veränderte sowohl die Wahrnehmung von gemalten Bildern wie auch die Wahrnehmung des Gegenstandes selbst. Martina Weber (*1975) spinnt diese Überlegung weiter: Das Bild einer Abbildung eines Raums oder einer Raumsituation verändert die Wahrnehmung erstens des Abbilds und ausserdem des realen Raums. Während aber bei der Babuschka immer ein Unter- auf ein Oberteil passt, sich also alles klärt, narrt uns die Künstlerin mit raffinierten Symmetrien oder mit sich überlagernden Wellen- blenden in Videoloops. So hintersinnig und intelligent hat schon lange niemand mehr nach der Natur, nach dem Wahrnehmungs- und Entstehungsprozess von Bildern gefragt. Wer hinsieht und sich auf die Verschachtelungen einlässt, dem könnten glatt die Tränen kommen. Vor Freude oder Lachen.

Christina Peege, Landbote, 09.09.2010. Screens, 03.09.-17.10.2010, Kunstraum Winterthur, Wartstrasse 17.  Fr 18–21 Uhr, Sa/So 15–18 Uhr.

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